Schreiben - Texten und Beraten
Die Spannbreite zwischen Qualitäts-Handbuch, Sachbuch, Artikel, Jahresansprache, Kurzgeschichte oder Liebesgedicht scheinen zunächst unüberbrückbar, doch muss jeder Text für jede Zielgruppe zutreffend lesbar sein. Künstliche Intelligenz-Apps wie bspw. ChatGPT sollen das heute bereits übernehmen können. Schön möglich, doch stützen sie sich zunächst auf Erfahrungshintergründe und individuelle Sichtweisen anderer, bevor sie sich daraus eigenständig entwickeln. Bis dahin stehe ich selbstmachend zur Verfügung.
Über meine eigene Schreiblust hinaus helfe ich als freier Ghostwriter gern bei akademischen Arbeiten wie Expose's, Hausarbeiten, Essay's, Bachelorarbeiten, Masterarbeiten etc.
Ich vermittle zudem, wie es gelingen kann, das derlei Text oder Werk etwas Eigenes und Persönliches wird, damit Identifikation und Selbstsicherheit im Umgang stimmen. Ein kreativer Prozess, der bereits in der Beratung zu Themensuche, Hypothesenbildung, Forschungsfragen, Gliederung etc. beginnt. Sich Unterstützung holen, geht immer. Wichtig ist, dass es die eigene Arbeit bleibt.
Ein derartiges Coaching kann sich ungeheuer entlastend auswirken, da es das negative Gefühl nimmt, etwas zu tun, was gesellschaftlich zwar wenig anerkannt ist, doch seit Jahrtausenden heimlich praktiziert wird.
Primärbereiche: Psychologie, Soziologie, Sozialwissenschaften, Philosophie, Arbeitswissenschaften, Literaturwissenschaften, Ernährung- und Sportwissenschaften.
Leseproben zum jeweiligen Gebiet auf Anfrage unter angegebener eMail. Darüber können sich Telefonate und ggf. Treffpunkte ergeben.
AUSZUG AUS DEM ESSAY:
Goethes Opfer „Werther“
Oder „Die Leiden des jungen Werther“ in einer versagenden Welt
- unter literaturpsychologischen Gesichtspunkten -
4. Das lyrische Ich des Ruderers in Relation zu Werther
In Ovids Metamorphosen antwortet ein Seher auf die Frage, ob der schöne Jüngling Narziß ein langes Leben haben werde: ”Nur wenn er sich nicht selbst erkennt.”35 Um noch in dieser Metapher zu bleiben, gewinnt das eigene Spiegelbild durch unterschiedliche Entwicklungsstufen der Figuren an Erkenntnisschärfe, was eine andere Figur Goethes exemplarisch offeriert: Mit Hilfe eines Gedichts versuchte Goethe seine bevorstehende Trennung von Lili Schönemann, seiner damaligen Verlobten, zu verarbeiten. In „Auf dem See“ rudert schmerzbewegt sein lyrisches Ich auf dem (Züricher) See und betrachtet im Alleinsein 'Mutter' Natur, von der es sich „( . . .) frische Nahrung, neues Blut“ erhofft. Doch dann gerät es ins Stocken und Zweifeln:
„Aug mein Aug, was sinkst du nieder?
Goldne Träume, kommt ihr wieder?
Weg, du Traum! so gold du bist:
Hier auch Leib und Leben ist.“
Eine Peripetie, plötzlicher Umschlag, unerwartetes Unglück/Glück, sonst im Drama entfesselter Knoten als entscheidender Wendepunkt im Schicksal eines Menschen. Hier ganz im Innern eines Menschen stattfindend und eine innere Kehrtwendung ermöglicht: „Aug mein Aug, was sinkst du nieder“ . . . und „Weg du Traum! . . .“
Umgang des lyrischen Ichs mit einem existentiellen Lebensgefühl. Unterschiedliche Strömungen in sich aufgenommen, lässt es sie miteinander kommunizieren. Literarisch wie bildlich passt auch das Abwiegen in einem gewogenen Boot, das Dimensionen sich vereinen. In psychologischer Betrachtungsweise ließe sich der Ruderer auf dem Wasser als jemanden erkennen, der auf dem „Unbewussten“ schaukelnd zu sich selber findet.
„Auf der Welle blinken
Tausend schwebende Sterne,
Weiche Nebel trinken
Rings die türmende Ferne;
Morgenwind umflügelt
Die beschattete Bucht
Und im See bespiegelt
Sich die reifende Frucht.“
Am Ende/Anfang spiegelt sich der Aufgang eines neuen Tages. Trotz Leid macht jedes Weiterleben somit Sinn. Der Dichter lässt hier sein lyrisches Ich die Kränkung des bevorstehenden Verlustes überwinden.
Im geschilderten Erkennungsprozess zeigt lyrische Verdichtung Trauerreaktion und daraus resultierende Rückkehr der Lebensgeister, die zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit, Sättigung und Versagung schwanken. Das lyrische Ich, psychologisch das Ich, kann auf verinnerlichte positive Introjekte zurückgreifen, beispielsweise einem Lichtstrahl an der Wand des Kinderbettes gleich, sobald die Mutter sich nähert. Ein erstes, sicheres Licht, das dauerhaft Sättigung und Zuwendung verspricht und garantiert, dass alles gut werden kann. Ein Blickwinkel, unter dem sich aber auch die weichen Nebel im Gedicht als Daunen eines Kinderbettes erklären ließen, schließlich die türmende Ferne an die Endlichkeit einer Sehnsucht, die durch die nahende Befriedigung näher rückt.
Kurzum: Der Ruderer verfügt über alles erdenklich Notwendige zum Leben, mehr noch: er ist reich mit Möglichkeiten ausgestattet - im Gegensatz zu Werther. Goethe setzt Werther jünger und unreifer in Szene und zeigt, was auch für ihn möglich gewesen wäre, verfügte er nicht über seinen Genius. Werther gießt sein Seelenleid nun mal in kein Gedicht. Er sucht in ihnen, versinkt darin, ohne sich zu erkennen bzw. Schlüsse für sich zu ziehen. Innere Strömungen geraten in ihm zum Knäuel, Sortieren, Ordnen, Distanz einnehmen sind im noch fremd; er verfängt sich. Der Ruderer wartet nicht, fährt dem inneren Wendpunkt entgegen, unter schmerzlichen Empfindungen, die ihn letztlich stärken. Werthers Blick als Ruderer käme vermutlich nicht über die ihm gespiegelte ('geliebte') Hoffnungslosigkeit hinaus. Um Schmerz, Verlust, Enttäuschung relativierbar in sich zu machen, werden positive verinnerlichte Bilder und funktionierende Abwehrmechanismen benötigt, nicht zuletzt, um lastende Weltschwere abwerfen zu können. Jeder Tiefengrad empfundenen Unglücks hängt vom psychischen Entwicklungsstand ab und führt zur Frage der Selbstdefinition Werthers unter folgenden Gesichtspunkten:
„Ich bin, was man mir gibt.
Ich bin, was ich mir zu werden vorstelle kann.
Ich bin, was ich will.
Ich bin, was ich lerne.“36
Besonders der letzte Satz des Zitats lässt Werthers Unfähigkeit vermuten, Schlüsse aus seinen Erfahrungen zu ziehen. Erfinder Goethe erschafft eine Figur in innerer Gefangenschaft und ohne Fähigkeit psychischer Reifung. Ihr Ich verliert unter den massiven Einwirkungen der ‚versagenden Welt’ zunehmend Kontur, das Feld geht ans dominierende Es in offener Schlacht mit dem Über-Ich. Der wissende Goethe zieht die Strippen von oben und breitet unter sich Verheerendes aus. Das erlebt Werther als dem Schicksal ausgelebt sein: Wieso gerade ich? Was habe ich getan? Wieso kommt denn niemand? Das ist quasi Vorgabe der Romanhandlung. Und die Selbststeuerung im Sinne der Vernunft und Psychohygiene ist dem Protagonisten von vornherein unmöglich gemacht. Der Leser soll erkennen, wie peitschend sein Über-Ich auf Triebimpulse reagiert, die z.B. in aggressiver Form im Kontakt zu seinem Gegenspieler Albert durchzubrechen drohen. Im Rahmen des Ödipuskomplexes betrachtet muss der Tötungswunsch gegen Albert zum Gefühl tiefer (unbewusster) Schuld führen. Setzt die Psychoanalyse beim Kleinkind den unbewussten Tötungswunsch des gleichgeschlechtlichen Elternteils als Phantasie eines Entwicklungsstadiums voraus, dringt sie aber nicht in das Bewusstsein des Kindes. Dem regredierten Werther scheint diese Phantasie aber auf den Pelz zu rücken als quälende Bedrohung:
„Wehe mir! Ich fühle zu wahr, dass an mir allein alle Schuld liegt, - nicht Schuld! Genug, dass in mir die Quelle alles Elendes verborgen ist, wie ehemals die Quelle aller Seligkeit.“37
Wilhelm gegenüber offenbart er sein Schuldempfinden, das von Tötungsphantasien abgesehen auch daher rühren mag, dass er latent in der Beziehung zwischen Albert und Lotte wütet. Letztlich beklagt er vor allem, dass Lotte nicht auf ewig zu ihm überwechselt. Seine eine Schuld . . . Zerrissen zwischen Elend und Seligkeit bleibt ihm als einziger vermeintlicher Trost das narzisstisches Empfinden, sich als Quelle dessen aufzubauen.
5. Werthers Weg als Antiheld
Beim Schreiben seiner Briefe ist Werther allein. Wahrhaftige, ihn fühlen lassenden Dialoge finden hauptsächlich in seinem Innern statt und fließen aus seiner Hand in Rückschau und Weitergabe an seinen Freund Wilhelm. Der Akt des Niederschreibens verhilft ihm jedoch nicht zur Selbstreinigung im Sinne von Introspektion und Neuorientierung. Schreiben wird zur offen ausgesprochenen Realitätsflucht. Schwankungen zwischen Größenselbst und empfundener Wertlosigkeit verdeutlichen die beiden Janusköpfe dieses Rückzuges. ( . . .)
Lyrik
Wieder verwöhnte dein Atem
die Uhr unter dem Fenster
Hüllten sich unsere Glieder
in Schatten fliehender Wolken
Und schmiegte sich das Sichellicht
in unsere geöffneten Hände
Wieder ahnte ich im Herzstück
der Nacht dein fragendes Lächeln
Die bilanzierenden Träume, die
eine Stirn im Luftzug verwüsten
Und sogar der überwachte Himmel
zog seine Lichter überhastet ein
Da krönte deine Silhouette
das rötliche Band am Horizont
Fuhr ich mit ausgestreckter Hand
über dein glühendes Lachen
Und nur ein Fingerspitzenfunke genügte
das Gefieder stoischer Raben
in buntes Grau zu verwandeln.